Veränderung der Hochschullehre durch KI

Wo der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Lehre
sinnvoll und bereichernd sein kann

 
Gastgeber:

Alexander Klein
Lehrentwicklung und Personalentwicklung
im Bereich Instructional Design
Universität Konstanz

Martin Mandausch
Teamleiter Digitalisierung in der Lehre
am Zentrum für Lehrinnovation
Hochschule Karlsruhe

 

KERNAUSSAGEN

  • Durch KI werden perspektivisch 50+x Prozent der bisher gängigen Lehrinhalte in den kommenden zehn Jahren obsolet. Mit dieser Entwicklung muss sich die Lehre an den Hochschulen und Fakultäten aktiv auseinandersetzen.
  • Learning Analytics und Educational Analytics bieten großes Potenzial für eine datenbasierte Reflexion der eigenen Lehrtätigkeit, aber auch für Curriculums- und Hochschulentwicklung.
  • Der Einsatz von KI in der Lehre sollte auf die Aktivierung der Lernenden abzielen. KI-Tools können die Lehre unterstützen, aber nicht ersetzen.
  • Entscheidend für den Einsatz von KI in der Lehre ist, dass ich als Lernende bzw. Lernender "weiterhin denke" – auch durch explizites Einbeziehen von KI-Tools.
  • Für ein erfolgreiches Lehren und Lernen mit KI ist die intrinsische Motivation und Projektarbeit in kollaborativen Szenarien wichtig. Dabei sollte die Projektarbeit interdisziplinär und individualisiert ausgerichtet sein.

 
Am Vormittag der Lehr-/Lernkonferenz hatten Prof. Dr. Vera Döring und Chrysanthi Melanou von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in ihrem Workshop Einblicke in "AI behind the scenes" gegeben. Ihr Ziel: Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Funktionsweise dieser Technologien zu erläutern und ihnen gleichzeitig die Angst vor der Künstlichen Intelligenz und der Integration von KI-Tools in die Lehre zu nehmen. Die Diskussionen an den beiden Thementischen 8, wo es um die "Veränderung der Hochschullehre durch KI" ging, knüpften unmittelbar daran an.

 

Beispiele guter Praxis mit KI in der Lehre

An den Tischen wurde intensiv über Chancen und Gefahren beim Einsatz von KI in der Lehre diskutiert. Zum einen gehe es darum, Systeme für den Einsatz von Learning Analytics oder Künstlicher Intelligenz auch für weniger IT-affine Lehrende/Studierende niederschwellig und einfach nutzbar zu machen. Zum anderen seien beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz bezüglich personenbezogener Daten und deren Nutzung etwa in Beratungssituationen noch eine Vielzahl an ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen offen, die erst noch geklärt werden müssten. 

Grundsätzlich müsse man aus der spezifischen Sicht der Lehre im Blick behalten, wo der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sinnvoll sein kann – und wo nicht. Aus Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bieten KI-basierte Übungsaufgaben durchaus neue Möglichkeiten zur Unterstützung der Studierenden. Und das gelte auch für durch Learning Analytics und Educational Analytics gewonnene Erkenntnisse über deren Lernverhalten. So könnten KI-Tools beispielsweise helfen, Lernende auch unter didaktischen Gesichtspunkten besser zu verstehen und ihnen zielgerichtet Empfehlungen, Tipps und Korrekturen zu geben. Was die Lehrinhalte selbst anbelangt, dürfe es jedoch nicht das Ziel sein, den Lernenden durch KI das Denken abzunehmen.

Als Beispiele guter Praxis wurde die Möglichkeit genannt, Seminararbeiten nur über Prompts zu generieren (etwa an der Technischen Universität München) oder VWL-Themen über chatGPT zu bearbeiten (an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg). Ebenfalls diskutiert wurden Praxisbeispiele, in denen KI-Avatare beratend und unterstützend eingesetzt werden (z. B. der am Institut für Informatik der Universität Augsburg entwickelte Coaching-Avatar "EmmA" oder der KI-basierte Assistent "HIVAM" der Universität Hamburg).

Als Beispiel guter Praxis wurde im Themenfeld Learning Analytics auf das Projekt LeAP (Learning Analytics Profiles) der Universität Mannheim hingewiesen. Ziel des Projekts ist es, eine ganzheitliche und nachhaltige Learning Analytics Lösung in die bestehenden Systeme der Universität zu integrieren, um so die Lern-Lehr-Prozessen zu unterstützten. Am Beispiel des Chatbots der Universität Hohenheim zur Prüfungsvorbereitung wurde das Potenzial von KI-gestützten Tools zur Lernunterstützung diskutiert. An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg wiederum werden VWL-Themen bereits über ChatGPT bearbeitet. Ebenfalls diskutiert wurden Praxisbeispiele, in denen KI-Avatare beratend und unterstützend eingesetzt werden (zum Beispiel der am Institut für Informatik der Universität Augsburg entwickelte Coaching-Avatar "EmmA" oder der KI-basierte Assistent "HIVAM" der Universität Hamburg).

 

Für KI sensibilisieren und kollaborativ ausprobieren

Insbesondere gehe es darum, die Lehrenden positiv davon überzeugen, dass Lehrinnovationen und digital angereicherte Lehr-/Lernformate die Angebote den Hochschulen bereichern. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, Lehrende für den Einsatz von KI zu sensibilisieren und sie darin zu bestärken. Zielgerichtet, aber durchaus auch spielerisch oder experimentell. In diesem Zusammenhang wäre mehr Raum für kollaboratives Ausprobieren durchaus wünschenswert – etwa nach dem Vorbild der Universität Konstanz, die ein Experimentierformat für Lehrende zum Thema digitale Tools in der Lehre anbietet ("Format ohne Namen"). Gerade bei innovativen Lehrszenarien und -prozessen sei eine konstruktiven Fehlerkultur im Sinne von "free to fail" unabdingbar.

Angesichts der noch lückenhaften "AI-Landscape" im Hochschulbereich wäre es zudem hilfreich, gute und in der Praxis bereits erprobte Beispiele für den Einsatz von innovativen digitalen Tools und Lehr-/Lernmethoden zu dokumentieren und zu teilen. So sollten etwa Good Practice Anleitungen für erfolgreiche Transferprojekte, zum Beispiel Tutorials oder Checklisten, hochschulübergreifend allen Lehrenden zur Verfügung gestellt werden. Dieser Austausch könnte auch durch ein dauerhaftes Angebot von hochschulübergreifenden Workshops für den Wissenstransfer und kritisch-kreativen Austausch unterstützt werden. Explizit wurde der Wunsch geäußert, die Lehr-/Lernkonferenz als regelmäßige Veranstaltung fortzusetzen.

 

MASSNAHMEN UND ERFOLGSFAKTOREN

  • Erfolgreiche Beispiele für den Einsatz von innovativen digitalen Tools und Lehr/Lernmethoden in Verbindung mit KI sollten dokumentiert und sichtbar gemacht werden.
  • Anleitungen für erfolgreiche Good Practices und Transferprojekte sollten hochschulübergreifend allen Lehrenden zur Verfügung gestellt werden.
  • Stärkung von und Sensibilisierung für KI und Data Literacy durch ein dauerhaftes Angebot an hochschulübergreifenden Workshops für den Wissenstransfer und kritisch-kreativen Austausch (explizit: die Fortsetzung der Lehr-/Lernkonferenz)
  • Bereitstellung von Mitteln zur Anschaffung und Teststellung von digitalen Tools, Infrastruktur und Support (zum Beispiel für die Implementierung von Learning Analytics und Learning Record Stores)
  • Neben dem technischen Support sollten für Studierende und Lehrende auch bedarfsorientierte inhaltliche sowie hochschuldidaktische Schulungs- und Weiterbildungsangebote etabliert werden.